Luanda – Noch ein Festtag
Vor 20 Jahren, zurückblickend aus Angola,
kurz vor meiner Rückkehr aus Luanda nach Deutschland schrieb ich an eine Freundin ein kleines Erlebnis mit der Stadtpolizei von Luanda, das im August 1998 geschah:
Liebe Freundin,
noch bin ich in Luanda, Angola.
Was man hier so am Wochenende macht, ist TV schauen, draußen in der Stadt ist es zu gefährlich, zu viele Leute, die sich an dir bereichern wollen. An den Strand kann ich nur mit den Bodyguards in voller Montur und Maschinengewehren fahren. Das macht nicht wirklich Freude: sie bewaffnet, ich im Badeanzug.
Gestern habe ich deshalb lieber TV geschaut. Im staatlichen angolanischen TV lief eine der typischen langweiligen „Shows“. Anderes gibt es nur in TV5 auf französisch, das verstehe ich leider nicht. Also diese Diskussionsrunden sind mit bekannten Persönlichkeiten. Davon gibt es an jedem Tag der Woche fast die gesamte Sendezeit hindurch mehrere Runden, denn die Produktionskosten sind niedrig und das Mineralwasser für die Sprecher und Eingeladenen gratis.
Aber dennoch war es interessant, dieses Mal zumindest, denn der Polizeipräsident sollte neue Methoden der Verbrechensbekämpfung vorstellen.
Wie du ja weißt, gibt es illegale Diamentenförderung, immens viele Drogen und alle erdenklichen Schmuggelwaren, einschließlich der teuersten Medikamente, Waren aus aller Welt direkt am größten afrikanischen Markt Roque Santeiro mitten in der Stadt.
In dieser Runde im TV wurde viel gesprochen, getrunken. Geblieben vom Inhalt ist mir nur der Name des Polizeipräsidenten. Ein älterer gesetzter Herr, der offensichtlich als junger Militär ein Held mit vielen Orden für seine Einsätze gegen die Guerilla in den Ölfeldern von Gabinda, im Kampf gegen Savimbi, den brutalsten Mörder Angolas, lange gesponsert von den Portugiesen, um dort angeblich Freiheit und Unabhängigkeit zu bringen, geehrt worden war. Jetzt war er Polizeipräsident einer Polizei, die allgegenwärtig und extrem schlecht bezahlt ist.
Am nächsten Tag, einem Sonntagmorgen, an dem es noch wenig Verkehr gab, fuhr ich am Meer entlang, um in die Altstadt zu gelangen. Das ist zwar ein Umweg, aber an einem so schönen Tag wie heute wirkt das blaue ruhige Meer Sehnsuchtsfördernd -saudade, wie man hier sagt- und entspannend.
Plötzlich sprangen wie aus dem Nichts vier Polizisten auf die Straße und stoppten mich. Das ist eigentlich nichts Ungewöhnliches. Am Wochenende brauchen die Polizisten ein bisschen Kleingeld, schließlich wollen auch sie mal feiern. Das verstehe ich, aber heute war Sonntag und nicht Samstag.
Also habe ich sie gefragt, was los sei. Man erläuterte mir mit sehr ernster Miene, dass ich die Einbahnstraße in Gegenrichtung gefahren sei. Das wird teuer, fügte man noch sehr streng hinzu. Nun, das war mir neu, gestern war es noch keine Einbahnstraße.
Ich gab ihnen meine Papiere, Diplomatenpass und die Dokumente des offiziellen Diplomatenautos -dürfen sie eigentlich nicht kontrollieren, aber ich wollte jetzt nicht so streng sein wie sie. Dann schaute ich mir ihre neuen Namenschilder an, wohl eine Folge der Verbrechensbekämpfung von gestern.
Ich sagte zu Frau Comandante Silvia in einem eher lässigen Ton, „Ach, wissen Sie, mein Kollege und Freund Herr Presidente de Policia XXX wird sich sicher gleich morgen um die Sache kümmern, entschuldigen Sie vielmals meinen Fehler.“ Husch, da rannten sie mit meinen Papieren weg, hielten Rat unter einer schattenspendenden Akazie. Nach einigem Palaver kam man gemessenen Schrittes zurück, Comandante Antonio hatte seinen Namensschild umgedreht, damit man seinen Namen nicht mehr sehen konnte und sagte mit einem überaus unfreundlichen Gesichtsausdruck: „Hier Ihre Papiere, machen Sie das nicht nochmals, wir lassen Sie heute weiterfahren. Weiterfahren!“ schnaubte er und salutierte – tatsächlich.
So ist das Leben hier.
Herzliche Grüße aus dem winterlichen Luanda bei 26 Grad
Luitgard