DUNKLE WEGE

Über Dunkle Wege Zurück ins Leben

Flucht, Verlust und Trauma hören sich erschreckend an in einer Zeit der Überflutung mit Informationen in reißerischem Ton zu Katastrophen, Kriege und Flucht. Heute Afghanistan, dann Sudan, dann Mosambik und so weiter. Wer kann da noch mit seinem Herzen und Seele folgen.

Dulce Maria Cardoso aus Portugal oder eher aus Angola ist es gelungen, einen ergreifenden, erschütternden und erheiternden Roman zur „Rückkehr“ aus Angola nach Portugal zu schreiben.  Aus der Sicht eines Jugendlichen wird der Aufbruch, Verabschiedungen aus einem geliebten und unterhaltsamen Jugendalltag ins unbekannte „Mutterland Portugal“ nach der Nelkenrevolution in den siebziger Jahren beschrieben. Rui, der Jugendliche freut sich zunächst darauf „im Mutterland gibt es Kirschen, große und glänzende Kirschen, die Mädchen hängen sie sich als Schmuck an die Ohren. Hübsche Mädchen, wie es sie nur im Mutterland gibt“ (s.4).

Ein starker Anfang. Die Reise mit dem Flugzeug wird meistens ausgeblendet oder darüber geschwiegen. Alles, was sie verlassen müssen, wird nur in kleinen Schlenkern eingefügt, weil das Leben so normal zu sein scheint. Nur der Vater, der sich immer gut mit seinen „Pretos“ – früher ein üblicher Begriff für die schwarze Bevölkerung- jetzt eine Beleidigung, hat sich immer gut um seine Leute gekümmert. In letzter Zeit aber gibt es schwarze und auch gelegentlich weiße „Freiheitskämpfer“ unterschiedlicher Richtungen, die alle und jeden bedrohen.

Dazwischen werden unterhaltsame und erstaunliche Interpretationen gegeben vom Cacimbo (Nebel über der Stadt), wie die Vögel darin ihre Orientierung verlieren und an weiße Mauern knallen und sterben. So wie Rui fürchtet, dass es ihm und seiner Familie gehen könnte.

Das Buch ist ein Wunder an Leichtigkeit und dennoch erfährt man alles über Verlust, Flucht und Trauma, Symptome wie Vergesslichkeit, Desorientierung, ausgedehntes Nachdenken über absolut belanglose Dinge und Sorgen, woher der Vater seinen Tabak bekommt, den es im „Mutterland“ nicht geben wird, während „die Soldaten trinken, als ob sie im Urlaub wären“-

Hoffnungen auf ein besseres Leben keimen auf, Häuser mit Wasserhähnen. Aber auch Enttäuschungen angesichts des „kleinen Mutterlands“, den Schmutz und die entwürdigenden Behandlungen im so verheißungsvoll angekündigten Mutterland. Diskriminierung in der Schule, auf der Straße und außerhalb des “Hotels für Flüchtlinge”, eine heruntergekommene und ungepflegte Absteige.

Überall wird man beschimpft als „Bettler“. Das waren doch die armen schwarzen Schuhputzer in Luanda. Rui´s Familie jetzt Bettler?

In leichter, manchmal melancholischer Weise werden Bewältigungsmechanismen wie Selbsthilfe, sich als Nachbarn aus Angola zu organisieren oder als Jugendliche zu gemeinsamen Unternehmungen oft eher am Rande der Legalität zu verabreden. Man freut sich mit ihnen, lustig und frech, sich ihre neue Welt mit „merkwürdigem portugiesisch“ und seltsamen Ritualen zu eigen zu machen.

Schwerblütige Lektüre über Extremstress und Trauma lesen sich danach leichter.

Literatur:

Dulce Maria Cardoso, O Retorno, Die Rückkehr, Basel 2021

Litsch E.M / Linsenmeyer R Wenn Wissen Leben retten kann, Eschborn 2006

Manktelow James Manage Stress – Take back control, London 2007