Aus meinem neuen Buch

Aus der Sicht einer mosambikanischen Frau, vorab aus meinem neuen Buch

Hier möchte ich berichten, wie es mir mit den Ausländern erging. Seht mich vorher und nachher! Hier kommt meine Sicht der Dinge:

Vorher
Nachher

Die Schüler

Adrett sehen sie aus, die kleinen Schüler, in ihren grauen Anzügen mit weißen Hemden, wie sie in Reih und Glied am Zaun stehen und lachen.

Abendkleid

Auch mein Sohn geht in diese einmalige Schule an der Hauptverkehrsader von Maputo, an der schönsten und belebtesten mit Akazien bewachsen vierspurigen Straße, die auch zum neuen Präsidentenpalast einen halben Kilometer nördlich führt, parallel zum blauen Indischen Ozean. Hier kommen alle nationalen und internationalen Größen fast täglich vorbei. Manchmal kommt auch eine Delegation zum Schulbesuch. Ist Bildung doch eines der Hauptziele der internationalen Zusammenarbeit. Ein bisschen von diesem Ruhm geht auch in Spenden an diese Schule. Damit wird sie herausgeputzt, Blumenkübel aufgestellt, die Wände neu geweisselt.

Den Kindern gefällt es, wenn Autokorsos vorbeifahren, sie rennen raus und winken wie verrückt am gut gesicherten Zaun. Verrückt ist das Stichwort, so werden sie gelegentlich abschätzig bezeichnet. Tatsächlich ist es eine einzigartige Schule für behinderte Kinder und Jugendliche aus dem ganzen Land. Denn es gibt nur diese eine Schule.

Mein Mann, der Lehrer

Ich bin stolz darauf, und auch darauf, dass mein Mann dort Lehrer ist. Manchmal erzählt er herzzerreißende Geschichten, besonders von zwei „Mongo“ Kindern aus einer indischen Familie. Sie sind so süß, gehen immer Hand in Hand und geben allen, die an ihnen vorbei kommen schmatzende laute Küsse. Sie sind voller Liebe und trauen sich jetzt, wo sie in die Pubertät kommen, unschickliche Frage nach dem Geschlechtsteilen der anderen zu stellen und wollen sie sehen. Das führt gelegentlich zu Tumulten und Übergriffen. Manchmal greifen die Lehrer dann ein, wenn sie es mitbekommen und nicht gerade wegsehen.

Das Lehrergehalt in Mosambik ist wirklich nicht hoch, man könnte es als Mindestlohn bezeichnen, allerdings ohne Wohngeld. Also haben wir uns ein kleines Häuschen in einer der Musseques (Art Slumgebiet) gebaut, mit unsren eigenen Händen. Unser kleiner Sohn, der auch mit zehn Jahren noch nicht laufen kann, krabbelte auf allen Vieren hin und her und versuchte dennoch Steine heranzutragen, zu niedlich.

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So schön ist es in unseren Musseques

Jetzt wohnen wir da schon seit einigen Jahren. Es ist angenehm, mit freundlicher Nachbarschaft. Diebstähle gibt es kaum. Deshalb haben wir uns jetzt einen Fernseher zugelegt und das Stromkabel über der Straße dazu angezapft. Das ist lustig, wir bekommen seitdem viel Besuch, besonders bei Fußballübertragungen.

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Das konnten wir uns leisten, weil ich bei Ausländern putze. Die Europäer zahlen für ein paar Stunden einen üppigen Gehalt und schämen sich die ganze Zeit. Warum, kann ich nicht wirklich verstehen. Sie sagen, sie wollen keine Sklaven und eigentlich könnten sie das ja auch alles selbst machen, aber sie wollen auch helfen. Das finde ich am schwersten zu verstehen, wieso helfen? Wir arbeiten doch für Putzen, Waschen, Bügeln. Nun ja, unsre Leute würden vielleicht zehn Prozent für diese Arbeit bezahlen, uns beschimpfen und sogar mal schlagen, wenn im teuren Business Hemd aus Südafrika mit dem weißen Kragen die winzigste Falte nach dem Bügeln entdeckt wird. Dagegen loben uns die Ausländer unentwegt. Wofür? – versteht man nicht ganz.


Reichenviertel und unsre kleinen Stadtrandfreuden

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Uns geht es also gut, obwohl die Buspreise, um in die besseren Stadtviertel zu kommen, schon einen beträchtlichen Teil des Einkommens auffressen.

Letzthin ist eine der Arbeitgeberinnen abgereist. Das ist immer traurig, denn man verliert ja einen Job von zwanzig Stunden. Aber es macht einen auch sehr glücklich. Denn diese Deutsche hat mir fast ihre ganze Garderobe geschenkt. Kleider, Röcke und seltsame Kleider, vielleicht Abendkleider für die vielen Empfänge, auf denen sie eingeladen war. Eines habe ich unten abgeschnitten und habe es stolz getragen, als ich bei ihr noch die Bettwäsche und die Stereoanlage abholen ging. Irgendwie schaute sie traurig. Wahrscheinlich, weil es ihr mit mir gut gefallen hat. Dann gab sie mir noch einen Umschlag mit Dollars drin.

Den habe ich in meinen BH gesteckt und erst zuhause geöffnet. Ich muss schon sagen, das war wirklich eine Enttäuschung, so wenig Bargeld. Dabei hatte ich immer von den hohen Kosten für den behinderten Sohn erzählt, und dass ich ihn nicht mehr tragen kann, zu schwer heute für mich. Ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste und mein Mann ist meist unterwegs. Das hätte sie doch verstehen können, ihr portugiesisch war fast perfekt, nämlich dass ich eine Art Rollstuhl für den Kleinen brauche. Sowas kostet neu sogar auf dem Schwarzmarkt noch einiges.

Wenn ich jetzt daran zurückdenke, fange ich mich tatsächlich an über ihre Undankbarkeit zu ärgern.

Habe ich ihr doch mal ein Huhn aus meiner Heimat aus der Zambezi-Provinz mitgebracht. Dort gibt es große Hühner mit viel köstlichem Fleisch.

Hühner oder Perlhühner

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Nicht so winzige geschmacklose Importhühner aus Brasilien. Sie hat wirklich gedacht, das wäre ein Geschenk, hat es einfach genommen und aufgegessen. Ich habe es ihr noch schmackhaft zubereitet mit Cashew Soße. Eine kleine Probe hat sie mir mit nachhause mitgegeben. Da sind sie auch seltsam. Manche bitten einen, mit ihnen am Tisch mitzuessen. Das geht für uns gar nicht, wirklich nicht. Das gehört sich einfach nicht. Wie soll ich es erklären. Vielleicht ist es so, als wenn man im Großraumbüro an den teuersten Laptops arbeitet und dabei einen Döner über der Tastatur essen würde. Wir würden uns furchtbar schämen, abgesehen vom Essen, das ist nicht unser Geschmack, Gemüse ohne Knoblauch und ohne Piri Piri.(scharfe Soße) Wahrscheinlich sind sie deshalb so blass, wegen dieses kraft- und geschmacklosen Essen.

Und diese Deutsche gab mir eine so winzige Portion meines eigenen Huhns mit, das hätte noch nicht mal für das Baby meiner Nachbarin gereicht. Ich war empört, lächelte aber so, als ob ich mich geschmeichelt fühlte.

Mein Mann und der Laptop

Ja, mein Mann hat auch einen Laptop. Das ist eine sehr nette Geschichte, er hat ihn von einem Parlamentarier bekommen, dessen Sohn auch in der Schule meines Mannes ist. Das Parlament hat vor Jahren eine Sendung mit Laptops von der Internationalen Gemeinde, wie sie die gutbezahlten Herrschaften aus dem Ausland nennen, erhalten. Diese Laptops waren allerdings schon ein paar Jahre alt und für das moderne Sicherheitskonzept unsrer Parlamentariern völlig ungeeignet. Aber das konnte man ja aus Höflichkeit nicht sagen, also haben unsere Abgeordneten die Teile nachhause mitgenommen, ihren kleinen Kindern, die noch zu klein für Smartphones waren, zum Spielen überlassen oder eben an solche Leute wie uns weitergereicht.

Nachher, berichtete Paulo, unser Freund, hätte man sich dann beschwert, dass alle diese Geräte verschwunden waren. Aber das waren sie ja nicht. Diese Ausländer verstehen uns manchmal einfach nicht. Schade eigentlich.

Sie hat mich an einen Schotten weiter empfohlen. Das sind Leute aus dem englischen Norden. Dessen Familie wollte nicht in Afrika leben und sie blieben in ihrem nebligen Hochland. Er sprach ein merkwürdiges Portugiesisch, aber das war mir egal, er war ja meist arbeiten und deutete darauf, was er heute, morgen oder nächste Woche besonders haben möchte. Später erzählte mir jemand, dass Schotten extrem geizig seien. Ich war schon etwas verwundert, als er mit mir den Gehalt verhandeln wollte. Er meinte damit, fünfundsiebzig Prozent meines bisherigen Salärs. Mir war es recht, es war ja wenig Arbeit, viel weniger als bei der Deutschen. Er wechselte höchstens alle drei Tage seine Hemden. Das ist auch so was Merkwürdiges, hier bei der Hitze waschen wir uns dauernd, auch wenn wir kein fließendes Wasser haben und man zieht sich mehrmals täglich frisch an.

Ich kann mich dennoch nicht beklagen. Er machte das zwar nicht wie wir, es roch deshalb oft etwas streng in seinem Apartment, aber ich war ja nur einige Stunden dort. Dann ging ich meist frisch geduscht aus seiner Wohnung, duftend wie eine Blume, in dem Reichenviertel mit den gekürzten Abendkleidern der Deutschen spazieren und fing manchen Flirtblick auf.

Zu schön


Die orginal-PDF von dem Artikel vom neuen Buch in der CBN zum